Gedenken an die Opfer der „Euthanasie“-Morde

Anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus findet am Mittwoch, den 31.01.2024, um 12:00 Uhr in der Tiergartenstraße 4 am Gedenk- und Informationsort für die Opfer der „Euthanasie“-Morde die Gedenkveranstaltung für die ermordeten Menschen mit Behinderungen statt. Mehrere hunderttausend Kinder, Männer und Frauen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen wurden von den Nationalsozialisten grausam getötet.

Euthanasie, also die Tötung von kranken Menschen, wurde nicht von den Nationalsozialisten erfunden. Solche Gedanken gab es schon vorher. In den Heil- und Pflegeanstalten sollten unheilbar Kranke und „Ballastexistenzen“ vernichtet werden, so der Strafrechtler Karl Binding und der Psychiater Alfred Hoche in ihrer 1920 veröffentlichten Schrift „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Die Nazis griffen diese Gedanken auf und setzten sie ab 1933 konsequent um. Psychisch kranke und geistige behinderte Menschen sollten in der Gesellschaft keinen Platz mehr haben. Sie galten als unzumutbare wirtschaftliche Belastung für das „deutsche Volk“.

Am 14. Juli 1933 wurde das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ verabschiedet, das massenhafte Zwangssterilisationen zur Folge hatte. Ein Jahr später wurde mit dem Aufbau einer „Erbbiologischen Kartei“ begonnen.

Ab August 1939 mussten alle Hebammen und Ärzt*innen Neugeborene und Kleinkinder mit körperlichen und geistigen Behinderungen melden. So wurden auch Kinder erfasst, die bei den Eltern lebten. In rund 30 speziell eingerichteten „Kinderfachabteilungen“ wurden bis 1945 etwa 5.000 Kinder durch Medikamente ermordet, unter anderem in der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar bei München.

Ab Oktober 1939 mussten alle Anstalten Meldebögen zu jedem erwachsenen Patienten ausfüllen. Aufgrund der Bögen entschieden vier Gutachter über Leben und Tod der Menschen. Auch hier spielt die Anstalt in Haar eine unrühmliche Rolle: Als Gutachter entschied Direktor Hermann Pfannmüller in tausenden von Fällen über das Schicksal eigener und fremder Anstaltspatienten.

Im Frühjahr 1940 bezog der bürokratische Apparat der „Euthanasie“- Aktion eine Villa in der Berliner Tiergartenstraße 4. Die Tötungsorganisation erhielt deswegen den Tarnnamen „T4“. Im Deutschen Reich wurden vier Gasmordanstalten eingerichtet und die zur Ermordung vorgesehenen Patienten mit grauen Bussen dorthin gebracht. Die Angehörigen erhielten später eine gefälschte Sterbeurkunde. Ziel war die Vernichtung wirtschaftlich nicht mehr brauchbarer Menschenleben und die Einsparung von Pflegekosten. Jüdische Anstaltspersonen wurden fast ausnahmslos ermordet.

Bus-Silhouette aus grauem Beton steht auf dem Marienhof, daneben einige Menschen.
Denkmal für die Grauen Busse auf dem Marienhof. Aktion des Behindertenbeirats, 2013. Foto: LHM

Nach öffentlichen Protesten aus der katholischen Kirche wurden die Vergasungen gestoppt. Das Töten ging aber weiter. Nahrungsmittelentzug, Vernachlässigung und überdosierte Medikamente wurden gezielt angewendet. Als im Kriegsverlauf die Pflegeanstalten für alte, kranke und verletzte Menschen aus den zerstörten Städten gebraucht wurden, stiegen die Sterberaten der behinderten Menschen durch Hunger, mangelnde hygienische Verhältnisse und gezielte Tötungen noch einmal stark an.

Quelle: Gerrit Hohendorf und Annette Eberle: Zwangssterilisation und Patientenmorde im Nationalsozialismus – ein Überblick. In: Gedenkbuch für die Münchner Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde, Wallstein Verlag, Göttingen 2018, S. 29 – 48.