Das Inklusionsverständnis der Landeshauptstadt München

Der ungekürzte Wortlaut:

„Inklusion als Leitmotiv für den Aktionsplan der Landeshauptstadt München zur Umsetzung der UN-BRK

Die neue Sichtweise von „Behinderung“

Die Bundesregierung hat die UN-BRK im Dezember 2008 ratifiziert, sie ist somit seit März 2009 geltendes Recht in Deutschland. Innerhalb der UN-BRK wird Inklusion von Menschen mit Behinderungen als zentrale Zielsetzung definiert. Der Inklusionsbegriff kann keineswegs isoliert im Themenfeld „Behinderung“ betrachtet werden.

Er hat durch die Verabschiedung der UN-BRK im Dezember 2006 durch die UN-Generalversammlung eine weitreichende Dynamik ausgelöst, welche den vorläufigen Höhepunkt des Paradigmenwandels im Umgang mit dem Thema Behinderung verdeutlicht. Anerkennung von Vielfalt, Selbstbestimmung, Teilhabe, Ressourcenorientierung und Empowerment sind Konzepte, welche die vormals geltenden Prinzipien der Fürsorge, Defizitorientierung und Integration ablösen und erweitern.

Inklusion und Menschenrecht

Wie alle Menschenrechtskonventionen beschreibt auch die UN-BRK die bereits existierenden und allgemein anerkannten Menschenrechte (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte) aus der Perspektive einer bestimmten Lebenslage (hier: Lebenssituation Behinderung).

Der Begriff der Inklusion spannt einen Bogen über diese grundlegenden Werte in unserer Gesellschaft und bekommt dadurch grundsätzlich eine menschenrechtliche Dimension, die auch im Artikel 3 Absatz 3 des deutschen Grundgesetzes aufgegriffen wurde:

„Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Alle können etwas dazu beitragen

Als Menschenrechtskonvention muss der UN-BRK eine politikfeldübergreifende und gesamtgesellschaftliche Bedeutung beigemessen werden. Inklusion wird dadurch zur Querschnittsaufgabe. Dies bedeutet, in allen Phasen des Lebens die selbstbestimmte Teilhabe zu ermöglichen und zu fördern. Es gilt psychische, strukturelle, soziale, individuelle Barrieren und Anzeichen von Diskriminierung zu erkennen, abzubauen und zu verhindern.

Menschen sind vielfältig

Die UN-BRK konzipiert Behinderung als Bestandteil menschlichen Lebens und würdigt damit den Beitrag, den Menschen mit Behinderungen zur Vielfalt der Gesellschaft leisten. Sie formuliert das Ziel der vollen und wirksamen Inklusion in die Gesellschaft auf allen gesellschaftlichen Ebenen.

Sie geht damit in ihrem Anspruch weit über den traditionellen Integrationsansatz hinaus und verlangt nicht lediglich eine Öffnung der bestehenden Systeme für Menschen mit Behinderungen, sondern sie hat den Anspruch,

„die Gesellschaft und ihre Subsysteme so zu verstehen, dass Menschen mit Behinderungen von vornherein darin selbstverständlich zugehörig sind“
(Bielefeldt, Heiner (2009): Zum Innovationspotenzial der UN-Behindertenrechtskonvention. Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. S. 11)

Ziel ist ein inklusives Gemeinwesen.

Grundlegende Erkenntnisse als Basis für ein inklusives Gemeinwesen

  • Die UN-BRK ist ein Menschenrechtsdokument. Als bedeutendster Wert ergibt sich daraus die Zielsetzung der Inklusion
  • Inklusion ist grundsätzlich eine Frage der Haltung und der Bereitschaft von allen (Menschen mit und ohne Behinderungen), jeden Menschen in seiner Einmaligkeit anzuerkennen und zur Realisierung eines inklusiven Gemeinwesens beizutragen.
  • Inklusion steht in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung und ist eine politikfeldübergreifende Querschnittsaufgabe.
  • Inklusion beschreibt einen dauerhaften Prozess.
  • Inklusion als grundsätzliches Handlungsprinzip und Qualitätsmerkmal setzt einen ständigen Prozess in Gang, in dem Bestehendes und Neues fortwährend hinterfragt und auf Grundlage des geltenden Menschenrechts optimiert wird
  • In einer inklusiven Gesellschaft existiert die Erkenntnis, dass Vielfalt allen zugute kommt. Inklusion will dazu beitragen, dass Vorbehalte, Unsicherheiten und Ängste abgebaut werden können und die Erkenntnis fördern, dass Vielfalt eine Bereicherung der Gesellschaft darstellt.
  • Inklusion bedeutet, Vielfalt Wert zu schätzen und hergestellte Differenzen zu hinterfragen (Ressourcenorientierung statt Defizitorientierung)
  • Inklusion braucht ein Klima der Chancengleichheit von Anfang an.

Inklusion braucht Bereitschaft

Die Maßnahmen und Zielsetzungen, welche die Umsetzung der UN-BRK in der LHM befördern, sind als Grundlagen zu verstehen, welche den Boden für ein inklusives Gemeinwesen bereiten sollen. Diese Maßnahmen und Zielsetzungen haben eine inklusive Ausrichtung und dienen dazu, das Bewusstsein der Münchner Bürgerinnen und Bürger mit und ohne Behinderungen für diese Thematik zu entwickeln. Inklusion wird zu einer Leitlinie für die Gestaltung des Gemeinwesens.

Notwendige Schritte

Bisherige Errungenschaften, wie Quoten oder Vergünstigungen müssen als notwendige Strategie auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft betrachtet werden. Allerdings muss hier grundsätzlich deutlich gemacht werden, dass solche integrativen Maßnahmen nur ein Mittel darstellen, um Gleichberechtigung voranzutreiben. Gleiches gilt für die Öffnung von Strukturen, nur für bestimmte Behinderungsformen.

Grundsätzlich ist dies zwar ein Schritt in die richtige Richtung, Inklusion im Sinne der UN-BRK ist damit allerdings noch nicht erreicht. Darüber hinaus ist die Öffnung der bisherigen behinderungsspezifischen Regeleinrichtungen für Menschen ohne Behinderungen in diesem Zusammenhang ebenfalls notwendig.
Eine weitestgehend inklusiv gestaltete Gesellschaft stellt einen längerfristigen Entwicklungsprozess dar, jedoch muss der bisherige Einsatz von Ressourcen kritisch im Lichte der UN-BRK hinterfragt werden. Die Umsetzung der UN-BRK bedeutet die Optimierung von strukturellen Rahmenbedingungen für Menschen mit Behinderungen. Aus der Umsetzung der UN-BRK können nicht zwangsläufig Einsparungen abgeleitet werden. Die Hauptaufgabe besteht darin, Wege und Strategien zu entwickeln, welche die chancengerechte selbstbestimmte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen.“

Was ist der Zweck?

Da das Inklusionsverständnis sich fortwährend weiterentwickeln muss, dient das Ergebnis als Grundlage für alle weiteren Diskussionen. Ebenso ist dieses Inklusionsverständnis das Leitmotiv für die Umsetzung aller Maßnahmen des 1. Aktionsplanes.

Wer hat mitgearbeitet?

Projektleitung für den Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK, Herrn Prof. Dr. Clemens Dannenbeck (Fachhochschule Landshut), der Behindertenbeauftragte und Vertreterinnen und Vertretern des Münchner Behindertenbeirats, der Caritas München, des Paritätischen Wohlfahrtsverband Bayern, des Bayerischen Roten Kreuzes München, der Inneren Mission München, der Arbeiterwohlfahrt München, der Jüdischen Kultusgemeinde München, des Kreisjugendring München, des Münchner Trichters sowie von REGSAM.

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